Können wir nicht-denken?

Liebe Leser/*innen: Denken Sie jetzt bitte nicht an rosarote Einhörner!

Was ich mit der einfachen Bitte verdeutlichen möchte, ist die Tatsache, dass es weder ganz so einfach zu sein scheint, spontane Aktionen und Reaktionen zu “kontrollieren”. Und obwohl wir etwas ausdrücklich wollen, fällt es schwerer als gedacht, die eigenen kognitiven Prozesse zu beeinflussen und wie gewünscht zu realisieren.

Im Beispiel besteht die Schwierigkeit darin, zu vermeiden an etwas zu denken, bzw. eine Vorstellung von einem Sachverhalt zu bilden, der in der Bitte genannt wird. Wir lesen von einer Sache und im gleichen Atemzug stellen wir uns darunter etwas vor. Soweit so klar. Was allerdings können wir die Sache nicht so einfach weg- oder ausblenden, wie erwartet.

Die Reaktion zeigt, dass wir bei der Verarbeitung der mitgeteilten Nachricht nicht ohne weiteres kontrollieren können, was wir uns vorstellen, d.h. denken wollen. Aufmerken lässt sich nicht, so einfach wie gedacht zu- und abschalten. Wahrnehmen und Verstehen von Sätzen läuft einfach mit und geschieht oft neben her.

Fazit: Schon unser Gedankenexperiment zeigt, dass unsere Fähigkeit zur Kontrolle unserer Gedanken beschränkt ist. Sie hängt von verschiedenen Aspekten ab, – z.B. Vorstellungen, Erfahrungen, Umständen,… Die Fähigkeit scheint aber schon prinzipiell eingeschränkt zu sein. Wir können ganz grundsätzlich nicht nicht-denken. Doch vermutlich auch in den unbeschränkten Bereichen bedürfen wir zur Ausübung von Kontrolle schon etwas mehr als wünschen.

Können wir unser Leben gestalten oder können wir nicht? Jede/*r mag die Frage für sich beantworten. So gefragt, läuft die Antwort auf ein ja oder nein hinaus. Ich finde solche Zuspitzungen unglücklich und in der Sache wenig hilfreich. Sie verengen den Blick und drängen auf eine Entscheidung. Die damit forcierte Wahl führt nicht selten in die Irre.

Wollen wir dagegen nicht polarisieren, fällt unsere Antwort – wie bei Sonya Friedman – salomonisch aus: wir sind in soweit frei, unser Leben zu gestalten, wie es uns gelingt unser Denken, Fühlen, Sprechen und Verhalten zu kontrollieren. Siehe oben!

Das Vorgehen Friedmans setzt voraus, was am Ende herauskommt. Leibniz nannte die Figur einmal eine petitio principi. Mit anderen Worten, die Aussage klärt wenig. Weder vertieft sie unser Verständnis noch löst sie die eigentliche Frage nach der Bedingung und Möglichkeit menschlicher Kontrolle. Die Erklärung mag auch nicht Friedmans Absicht gewesen sein, mir aber ist sie ein Anliegen.

Ich will die Aussage von Friedman also nicht bestreiten. Im Gegenteil, ich möchte sie nutzbar machen. Deshalb beziehe ich die Aussage auf die Frage nach der für Menschen erforderlichen Kontrolle und möglichen Lenkung jeder denkbaren Form abgestimmter Bewegung und eigenmächtiger Vorgänge. Mit Blick auf die – stets eigenständig verwirklichte – Koordination möchte ich tiefer loten. Ich behaupte, dass Menschen lernen können und lernen müssen, die Art und Weise, wie sie potenziell und aktuell operieren – einschließlich impulsiver, reaktiver oder kreativer Bewegungen – zu überwachen, zu lenken und zu variieren.

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